Hannover - Kleine Stadtgeschichte by Waldemar R. Röhrbein

Hannover - Kleine Stadtgeschichte by Waldemar R. Röhrbein

Autor:Waldemar R. Röhrbein [Waldemar R. Röhrbein]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Friedrich Pustet
veröffentlicht: 2015-10-25T16:00:00+00:00


Aus Osnabrück zugewandert war der bereits erwähnte legendäre Hermann Wilhelm Bödeker, der, seit 1825 Pastor an der Marktkirche, seit 1851 Senior des Geistlichen Stadtministeriums, im Kirchenwesen der Stadt nicht nur als volkstümlicher Prediger eine besondere Rolle spielte. Denn sein Nachruhm beruht eher auf seinen vielfältigen wohltätigen Aktivitäten, denen die Gründung einer Anzahl sozialer Einrichtungen entsprang. Genannt seien nur das Schwesternhaus (1847/48), die Bödekerkrippe (1851) und die Kinderheilanstalt (1863). In zahllosen Einzelfällen linderte er persönliche Not, so dass in Hannover der Spruch umging: »Wenn kener di helpen kann, moste na’n Paster Bödeker gahn, und wenn de kenen Rat wet, biste gewiss verlor’n«.

Bödeker verstand es ausgezeichnet, Spenden für seine Vorhaben einzusammeln. Zudem ließ er zwölf von Georg Hurtzig entworfene, gusseiserne Engel, »Bödeker-Engel« genannt, an belebten Plätzen der Stadt aufstellen, die um Spenden in ihre Kästen baten. (Die beiden letzten erhaltenen stehen auf dem Engesohder und dem Stöckener Friedhof.) Aus eigener Tasche schoss er mehr als 30 000 Taler zu. Die Gartenlaube nannte den hannoverschen Pastor ein »Genie im Wohltun«.

Und auch sonst machte der Pastor von sich reden. 1839 gründete er den Mäßigkeitsverein zur Bekämpfung der Trunksucht, 1844 den Tierschutzverein, womit er sich den Ärger der Schlachterinnung zuzog. Mit Friederike Kempner, dem »Schlesischen Schwan«, war er sich darin einig, Verstorbene nicht sofort, sondern erst nach einigen Tagen zu beerdigen, um ein Lebendig-Begrabenwerden zu verhindern. Beide traten für den Bau von Leichenhallen ein.

Als Pastor hielt Bödeker an der vernunftbestimmten, im Zeitalter der Aufklärung begründeten Theologie fest, in der sowohl seine pastorale Vielgeschäftigkeit als auch sein offener Umgang mit Katholiken und Juden ihre Wurzeln hatten. Von neuen theologischen Richtungen wie der Erweckungsbewegung ließ er sich kaum beeinflussen. Folglich stand er im Katechismusstreit des Jahres 1862 auf der Seite der Verteidiger des einer praktischen Aufklärung verpflichteten Katechismus von 1790, der Kirche und Schule in Hannover seither geprägt hatte.

Die geistliche Führung der erst Anfang des Jahres 1866 gebildeten Evangelisch-lutherischen Landeskirche für das Königreich Hannover, die ihre Selbstständigkeit auch nach der Annexion bewahren konnte, lag im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts bei dem ehemaligen hannoverschen Hofprediger Gerhard Uhlhorn, der seit 1878 Abt von Kloster Loccum war. Zu Uhlhorns kirchenpolitischen Zielen gehörten in der wachsenden Großstadt Hannover sowohl die Auseinandersetzung mit der sozialen Frage als auch die Bildung übersichtlicher Kirchengemeinden. Für deren erste wurde 1864 die in Baustil und liturgischer Ausstattung richtungweisende Christuskirche eingeweiht. Ein halbes Jahrhundert später überragten die Türme 20 weiterer evangelisch-lutherischer Kirchen Hannovers Silhouette, dazu die reformierte Kirche, ferner sieben katholische Kirchen, die sich um die 1894 von Papst Leo XIII. zur Probstei erhobenen St. Clemenskirche scharten, darunter die mit Unterstützung des zweimaligen hannoverschen Ministers und Zentrumsführers Ludwig Windthorst gebaute Marienkirche, in der er auch beigesetzt wurde.



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